blog 09 // tagträume – written by Tobi
Ich frage mich: Was ist eigentlich der Sinn unserer Reise?
Ist es andere Länder zu entdecken, andere Kulturen kennenzulernen, von zu Hause auszubrechen, dem Alltag den Rücken zu kehren, seinen eigenen Horizont zu erweitern, Abenteuer zu erleben, Dinge anders zu machen als Andere, die physisch besten Tage im Leben noch einmal zu nutzen, bevor man alt und grau ist, krank und gebückt geht, bevor man die Jahre hat verstreichen sehen, immer mit der Ausrede im Kopf, eines Tages nicht mehr Arbeiten gehen zu müssen, genug auf die hohe Kante gelegt zu haben, um dann nochmal die Welt zu sehen…ist es vielleicht auch ein wenig das Flüchten vor dem Erwachsenwerden, vor dem harten Teil des Lebens – Geld zu verdienen. Wer will denn schon seine jugendliche Freiheit aufgeben und Verpflichtungen und Abhängigkeiten eingehen… Oder wollen wir uns in Zweisamkeit die Welt zu Füßen legen, zu zweit die Höhen und Tiefen einer so langen und strapaziösen Reise teilen oder auch ein wenig unsere Beziehung auf die Probe stellen, für die großen Zielen danach… Ist es, um dem bequemen und luxuriösen westeuropäischen Lebensstil den Rücken zu kehren, an seine eigenen Grenzen zu gehen, um sie für sich selber besser abstecken zu können, sich die eigenen Schwächen aufzuzeigen und zu lernen mit ihnen umzugehen oder einfach, weil wir diesen winzigen Wimpernschlag eines erdgeschichtlichen Lebens nutzen wollen, um unser Bewusstsein mit Glück und Freude zu erfüllen?!
Vermutlich von allem etwas sollte man meinen?! Vielleicht. Vielleicht gibt es da aber noch mehr, was uns lenkt – andere innere Bestrebungen, die uns von Stein zu Stein schubsen, um uns unseren Weg zu leiten. Mehr als das, was wir uns bewusst zurechtbasteln können im Kopf. Die Frage werde ich mir an dieser Stelle nicht beantworten können, möglicherweise einmal wenn ich alt bin, mich an diese Worte zurücksinne und die sprudelnde Energie zum Verstehen des eigenen Sinnes einer lebensweisen Gelassenheit gewichen ist… doch das dauert noch! Und deshalb erstmal Willkommen im Outback – hier, wo Freiheit und Grenzen ganz dicht beieinander liegen!
Es geht rough zu hier draußen – zwar grüßt man sich stets, wenn man sich in der unwirklich wirkenden Weite entgegen kommt, doch selbst dieses Fingerheben vom Lenkrad kann das Gefühl sich selbst überlassen zu sein nicht hinwegtäuschen.
Mit einem Blick so weit der Horizont reicht, fährt man dabei durch eine landschaftliche Eintönigkeit, die einem von Kilometer zu Kilometer nur noch ausgedörrter erscheint. Straßen, die in der Ferne zu glühen scheinen, korrigieren aller 30 Kilometer ihre Richtung um Nuancen, um sich ihren Weg durch dieses schier endlose australische Buschwerk zu bahnen. Die einzigen Fixpunkte, an denen man sich hier draußen entlanghangeln kann, sind die Tankstellen, die aller 300-400 Kilometer, wie eine Fata Morgana hinter dem Horizont hervorkommen. Dazwischen keine Zivilisation, kein Empfang – nichts, außer ein paar herumstromernde Kangaroos, Emus, Wildpferde, Kühe oder Raben, die sich an den am Straßenrand auftürmenden Kadavern den Bauch vollschlagen. Auch das Fahren selbst ist hier draußen ein anderes. Mit maximal zulässigen 110 Kilometer pro Stunde führt es recht schnell zu einem Kampf zwischen der abschweifenden inneren Gedankenwelt und der Rückbesinnung die Konzentration auf die Straße zu richten. Entgegendonnernde 5-gliedrige Straßenzüge, genannt Road Trains, mit einer Länge bis zu über 50 Meter machen es äußerst gefährlich die Konzentration am Steuer zu verlieren, denn gerade die letzteren Anhänger schwingen gerne mal auf die eigene Fahrbahn rüber. Was es neben der Länge auch nicht gerade easy macht, sie auf der eigenen Fahrbahn zu überholen. Zudem ist die Fahrt bei Dunkelheit unmöglich. Plötzlich auf den Asphalt springende Kangaroos sind dabei noch die geringste Gefahr. Vor Kühen und Wildpferden, die am Straßenrad grasen, würde dann auch der Bullenfänger nicht mehr schützen, ganz zu schweigen von den inneren Schuldgefühlen, die in einem aufkommen, wenn man ein Tier anfährt.
Da die Sonne bereits um 6 Uhr unterging und wir nach wie vor die Letzten morgens auf dem Rastplatz waren, lag unser Zeitfenster zum Fahren meist nur in den 8 Stunden zwischen 10 Uhr und Sonnenuntergang.
Etappe 1 // Cairns to Mount Isa (1200km)
Die erste Etappe führte uns von Cairns nach Mount Isa. Um nicht den Umweg auf den Main-Highway zurück nach Townsville nehmen zu müssen, stürzten wir uns noch recht naiv in das Outback-Abenteuer. Die anfänglichen grünen Hügel der Atherton Tablelands ließen wir schwungvoll im Rückspiegel versinken und wandten uns stattdessen unserem stetigen Reisebegleiter zu – den am durchgehend wolkenlosen Himmel glühenden Feuerball. Während der nächsten 200 Kilometer änderte sich die Landschaft hin zu dürrem australischen Buschland und so schlossen wir die erste Tagesetappe am Anfang vom Nirgendwo ab. Der nächste Tag brachte uns unsere erste rotsandige Offroad-Erfahrung – eine Zufahrtsstraße zu einem alten Vulkanfeld. Nach ziemlich durchgeschüttelten 20 Kilometern wussten wir, warum dieser Staub berüchtigt ist, in jede noch so kleine Ritze zu gelangen. Nach der Kraterumrundung verließen wir die Szenerie wieder und begaben uns weiter auf Tour. Leider änderte sich die von mir angenommene durchgehend zweispurig geteerte Straße hin zu einer einspurigen, sehr schlecht asphaltierten Straße mit Ausweichmöglichkeit links und rechts auf grobsteinigen Schotter – bei Gegenverkehr. Caros erste große Autofahrt wurde so gewissermaßen zu einer Mutprobe mit Baloo. Um nicht die gesamte Vorderscheibe mit Steinen zu pflastern, entschieden wir uns, nicht wie die entgegenkommenden Trucks aneinander vorbeizuballern, sondern nahezu anzuhalten. Es zog sich – zum Glück war der Verkehr hier gering. Nach 450 km schlugen wir unser Camp auf, einsam und fernab jeglicher Zivilisation und somit jeglichen Lichteinflusses. Wir hatten die bislang dunkelste Nacht. Da auch der Mond sich hinter der Erde zu verstecken schien, hatten wir unverstrahlten Blick in das atemberaubend glitzernde Sternenzelt – direkt über uns die MilkyWay (Milchstraße) – unser Foto weiter unten im Blog zeugt von dem Detailreichtum und breiten Farbspektrum unseres Sonnensystems.
Der nächste Morgen brachte jedoch den Schock!
Beim allmorgendlichen Motorcheck fiel mir auf, dass die Kühlflüssigkeit im Überlaufkanister leer war. Das verhieß nix Gutes! Aus einer früheren Reise durch die USA hatte ich noch zu gut die Probleme im Kopf, die mit der (Nicht)-Kühlung des Motors einhergehen. Die nächste „Stadt“ – 120 km entfernt. Ich schraubte den Deckel des Kühlers auf – zum Glück – der war noch randvoll gefüllt. Also Wasser nachgefüllt und gehofft, dass es vielleicht nur verdampft war, aufgrund der langen Strecke und der Hitze des Vortags. Motor gestartet – kurz gewartet – alles schien OK. Nach ein paar Kilometern war der Motor warm, wir hielten an und schauten erneut. Jetzt sahen wir, dass es direkt vorne am Kühler zu leaken schien. Der Überlaufbehälter schien aber noch unverändert. Wir fuhren schnell weiter und hofften, dass wir es die nächsten 100 km noch schaffen würden. Oh man! Baloo! Wir versuchten den Motor nicht sonderlich zu stressen, beschleunigten nur leicht – fuhren gleichmäßig. Aller 20 km hielten wir und schauten, ob sich was geändert hatte. Es bildete sich zwar ein kleines Rinnsal an grüner Kühlflüssigkeit entlang der Kühlerverdeckung, aber wir schafften es bis nach Normanton – unsere erste kleine Outback-Stadt. Hier war echt der Hund begraben. Immerhin gab es eine Information. Dort sagte man uns, dass wir wohl Glück hätten, denn es hatte sich gerade ein junger Automechaniker in der Stadt niedergelassen – vor 3 Tagen! Wir hofften das Beste!
Nach einem kurzen Toilettengang mit überraschendem Froschbesuch unter dem Sitzdeckel fuhren wir zu der vermeintlichen Adresse am Stadtausgang. Und tatsächlich – da war ein Schild mit der Aufschrift „Auto mechanic“. Wir wurden von einem jungen Mädel begrüßt, die mit einem älteren Aborigine sprach. Erst dachten wir, dass er der Mechaniker war, waren dann aber überrascht, als er sich nur als Kunde herausstellte. Das Mädel schien jünger als wir. Nach einem ersten kurzen Plausch, ohne sich den Kühler anzuschauen, meinte sie, das macht dann aber mindestens 150$ – wir waren skeptisch – ihr Freund kam zu uns rüber und erklärte, dass sie gerade erst gestartet und noch keine Hebebühne oder Sonstiges haben. Sie wären von Port Douglas, am Great Barrier Reef, hierhergezogen, um eine Werkstatt aufzumachen – wir fragten uns insgeheim, wie um Himmels Willen man in dem Alter dazu kommt. Es gab hier weder Kultur noch Kino, weder groß Freizeitmöglichkeiten oder Sport – es war auch landschaftlich nicht reizvoll, weder am Wasser noch in den Bergen – aber gut – er schien sympathisch. Wir zeigten ihm das vermeintliche Leck. Er machte einen Drucktest und sobald er den Druck aufgebaut hatte, spritze ihm auch schon die Kühlflüssigkeit entgegen. Wir hatten Glück, die Stelle war leicht zugänglich – eigentlich eine Seltenheit bei diesem riesigen und eher unzugänglichen Apparat von einem Kühler. Man muss schon zugeben, so ein Jeep ist nicht nur ein Spritfresser, auch die Motorteile an sich sind brachial und im Vergleich zu normalen Autos echte Luxusteile. Aber nun ja wir hatten uns ja so entschieden. Er meinte jedenfalls, es sei nur halb so wild, er könne es fixen für nen 50er – wir schlugen ein!
Er ließ uns über die Schulter schauen, damit wir wussten, wie wir im Notfall selbst Hand anlegen konnten. Mit „Kneat It“, eine Art Zweikomponentenkaugummi, dichtete er die Stelle ab und wir waren ready to go! Doch bereits an der nächsten Tankstelle musste ich feststellen, dass die Kühlflüssigkeit das Zeug teilweise wieder aufgeweicht hatte und bereits grün durchschimmerte – ich denke, wir hätten den Kühler besser abkühlen lassen und die Stelle dann etwas aufrauen und sauber machen sollen – aber das kann ja jeder im Nachhinein klug rumgackern… Das kann ja heiter werden auf die nächsten 2.000 km! Immerhin hatte er uns was mitgegeben von dem Zeug. Wir setzten die Reise fort – checkten immer mal wieder den Füllstand – doch schien dieser recht stabil zu bleiben – lediglich aus der Abdichtung suppte es leicht heraus. Je länger Baloo durchhielt, umso mehr konnten wir aufatmen. Die Natur änderte sich jetzt von australischer Savanne zu roten bergigen Gesteinsformationen, was unsere Köpfe etwas aus der Trostlosigkeit herausmanövrierte.
Etappe 2 // Mount Isa to Darwin (1500 km)
Von weitem thronten bereits die Schornsteine am Horizont. Mount Isa, eine der ältesten Bergbaustädte hier draußen, schien tatsächlich etwas Zivilisation bereitzustellen. Eine Toilette mit Spülung, ein Supermarkt zum Vorräte auffüllen und Werkstätte an jeder Ecke. Wir klapperten sie mal wieder alle ab, aber keiner konnte uns wirklich helfen – ein neuer Kühler wäre eh nicht vor einer Woche aufzutreiben, schweißen könnte man es zwar – jedoch bestand das Risiko, dass aufgrund der Hitze anderweitige Löcher entstehen. Wir besuchten also mal wieder unseren „geliebten“ Autoversorgungsladen SuperCheap und besorgten uns zwei Röhrchen „Kneat It“ für den Notfall. Zudem gab es gerade zwei von unserem 40w-15 Motoröl zum Preis von einem – wir zogen den Barcode über die Kasse und machten uns auf die weite Reise.
In den kommenden Tagen saßen wir von frühmorgens bis spätabends hinter Baloo’s Frontscheibe einzementiert und ließen das australische Buschland an uns vorbeisausen. Stets im Blick den in der Hitze flimmernden Horizont. Der Kühler hielt durch – Baloo rollte und rollte. Die Gedanken kreisten und verschwanden wieder. Die Sonne brannte durch die Fenster auf unsere Unterarme und Oberschenkel. Wie in Trance schwebten wir durch das Outback – Tagträume verzerrten unsere Umgebung – die Realität glitt uns aus dem Bewusstsein… Die Freiheit hier draußen ist schier unendlich. Der Weg wurde zum Ziel…
Wir waren angekommen in Katherine – dem späteren Scheidepunkt zur Westcoast. Vorerst ging es jedoch one-way nach oben. Kurzerhand entschlossen, machten wir einen kleinen Abstecher in die vom Lonely Planet angepriesene Katherine Gorge. Doch weniger der Canyon an sich ließ unsere Kinnladen runterklappen, als viel mehr die Abertausenden von Flughunden, die in den Baumwipfeln hingen und einen äußerst animalischen Geruch aussonderten. Es wimmelte nur so von diesen kleinen fliegenden Batmans. Überall quietschte und kreischte es. Immer wieder kam es zu kleinen Machtkämpfen, um den besten Platz im Baum. Es war definitiv ein außerordentliches Schauspiel und wir verließen die Szenerie erst, als wir steife Nacken bekamen.
Darwin selbst gab uns mal wieder nicht viel – typische Mall- und Gewerbegebietsstraßen auf dem Weg zum Stadtkern – dort wenig Flair, Cafés die früh schließen, hippe Läden?! – Fehlanzeige! Einzig das Klima hier oben schien erwähnenswert – 35 Grad und hohe Luftfeuchte – schwitzige Achseln vorprogrammiert. Aufgrund der Crocos hier oben war es leider auch nicht mehr möglich ins kühle Nass zu flüchten – Wasserzugang oder Strände gab es erst gar keine. Am liebsten wären wir direkt weitergefahren, doch das mit dem Kühler war uns doch zu heiß! Zu aufgeweicht war die Stelle und zu viel Kühlflüssigkeit trat aus. Es half also nix, wir mussten ein paar Tage hier rasten, um den Kühler reparieren zu lassen. Wie selbstverständlich gab es im Autoland Australien sogar Werkstätten, die ausschließlich nur Kühler reparieren – Tag ein, Tag aus. Ich ahnte nicht, was das für eine Wissenschaft sein konnte. Wir klapperten mal wieder halb Darwin ab, um uns Angebote einzuholen. Von keine Zeit bis Good-Cop-Bad-Cop-Spielchen war mal wieder alles dabei. Seriös schien es auch hier oben nicht abzugehen – uns war, als steckten alle unter einer Decke. Jedes Mal wurde beim Großhändler angerufen, um die Verfügbarkeit festzustellen – anfangs noch im Preis variierend, pegelte sich der Preis für den Kühler langsam beim anfänglichen Höchstpreis ein – lediglich der Arbeitsaufwand variierte dann geringfügig – scheinbar nahm immer der gleiche Typ beim Großhandel ab und wusste, dass wir auf der Suche nach einem neuen Kühler für einen Mitsubishi Pajero waren – sicher pokerten sie, dass wir irgendwo schon JA sagen würden. Die Werkstätten, die keine Zeit hatten, uns aber trotzdem einen Preis nannten, setzten bis zu 200 $ weniger an. Was blieb uns übrig, irgendwo mussten wir JA sagen… natürlich wollten die meisten Kühlerwerkstätten ihn nur schweißen – dabei hätten sie die meiste Arbeitszeit zu buche schlagen und somit das Maximale für sich rausholen können. Wir sprachen aber auch hier von 350 – 400 $ – ohne Garantie, dass die Korrosion nicht auch schon die Unterseite befallen hatte. Neu ist Neu – auch für den Verkauf. Und so entschieden wir uns zwar nicht für den billigsten, aber menschlich für den mit dem besten Gefühl im Bauch – und nach einer kurzen Preisverhandlung mit Handschlag – der für mich immer noch am meisten zählt, vereinbarten wir einen Termin zum Ende der Woche. Da wir aber bis dahin noch 3 Tage Zeit hatten, mussten wir uns einen Platz in Darwin suchen, um die Tage zu überbrücken. Was nicht gerade leicht war, da kein Hostel „Im-Auto-schlafen“ anbot und wir zudem nicht gerade Fans von Spießer-Campingplätzen sind.
Wir fanden eine selbsternannte Hobby-Farm, die mit Tierinteraktion Publikum zu akquirieren schien. Der erste Eindruck war überfordernd. Wir wussten die Dinge nicht gleich einzuordnen. Und so nahm uns die „Rezeptionistin“ – eine Freundin der Familie – an die Hand und führte uns herum. Die Tiere draußen sahen irgendwie echt skurril aus. Es gab 1 Ziege, 1 Emu, 1 Hahn, 1 Schweinefamilie – die Ferkel waren übersüß – ein paar verrückte Gänse und 2 Minipferde. Weiter im Gelände standen überall verloderte Zelte mit ein paar alten Backpackerautos davor. Das Ganze wurde noch merkwürdiger, als man uns die Toiletten zeigte, die sich im Haus der Familie befanden und von dieser auch benutzt wurden. Wir kannten das aus Wwoofing-Unterkünften. Hier war es jedoch eine ganz normale Familie mit zwei Kindern, die sich Dusche und Toilette mit all den Campern draußen teilte. Zudem war der Aufenthaltsraum – in Darwin sind immer über 30 Grad – direkt vor dem Haus, mit Steckdosen, Internet usw. Die Krönung aber war ein Pool neben dem Schlafzimmer der Eltern, der umgeben von Spinnen- und Schlangenterrarien war – ja, sogar ein Babykrokodil lag in einem dieser. Der Anblick war so skurril, dass wir dabei sofort an die Filme Ulrich Seidls dachten – wir hatten uns immer schon gefragt, wo er diese verrückt-surreal wirkenden Drehorte hernahm – diesen hier sollten wir ihm vielleicht empfehlen… Entgegen der anfänglichen Tierhalteproblematik entschieden wir, dem Ort eine Chance zu geben. Wir wollten uns das Schauspiel hier mal ansehen. Caro, die anfangs noch begeistert von den kleinen Ferkeln war, verliebte sich zusehends in Jack, die Ziege, die sie nach aller Herrgottswelten verköstigte. Das ging teilweise soweit, dass sie ihm nicht nur die Reste unserer Gemüsemahlzeiten brachte – nein, sogar ganze Karotten und Selleriestückchen, die wir selbst noch hätten zubereiten können 😉 Naja, zugegebenermaßen mochte auch ich diesen Ort mehr und mehr – und Ja! auch mir hatte es Jack angetan! Nie zuvor habe ich eine solch durchgeknallte Charakterziege getroffen. Wenn der Sellerie ihm nicht frisch genug schien, zog er die Ohren nach hinten, schnaufte laut, schüttelte den Kopf, zog es trotzig aus der Hand, ließ es dann aber fallen, scharrte es mit seinen Füßen unter die Erde und im größten Zorn urinierte er auch noch darauf! Manchmal schenkte er uns beim Vorbeilaufen seine Aufmerksamkeit und sprang von seinem kleinen Baumstamm, auf dem er sich, glaube, als Anführer der Tiere sah und kam zu uns rüber, um sich streicheln zu lassen oder auch Ball zu spielen. Manchmal ignorierte er uns jedoch einfach weg, als wären wir gemein zu ihm gewesen, selbst wenn wir was Leckeres dabei hatten. In absoluten Wutphasen rannte er aber auch schon mal direkt auf uns zu gegen den Zaun. Er war echt super durchgeknallt. Gerne hätten wir ihn irgendwie befreit und draußen rumlaufen lassen, aber immerhin schien sich auch die Frau des Hauses recht gut um ihn zu kümmern.
Der Rest dieser durchgeknallten Gemeinde war nicht weniger spannend zu beobachten. Da war eine Gruppe Italiener – alle um die Anfang 20 – vielleicht 10 Jungs – ein paar französische Mädels, die umringt der testosterongeladenen Luft der Italiener sich ihre typisch französische Unabhängigkeit nicht nehmen lassen wollten und auch ein paar Spanier, die als absolute Platzsoldaten auftraten und scheinbar machen konnten, was sie wollten. Die hauseigene Familie war natürlich die Krönung. Ein alter Rockertyp mit Hot-Rod-Auto am Rumbasteln, eine Frau, die die Hosen anzuhaben schien, ein kleiner Junge, der nicht mit den Backpackern reden durfte, einem aber mit seinen durchdringenden Augen löcherte und eine Tochter, die nicht mehr mit ihren Eltern zu reden schien und sich im Campingwagen neben dem Aufenthaltsbereich verbarrikadierte – ach, und natürlich die Freundin des Hauses, die den Laden zu schmeißen schien – im Campingwagen nebenan. Mir ist es immer noch ein Rätsel, wie die beiden Kinder früh in die Schule gehen konnten, da die allabendlich stattfindenden Musik- und Partygelager der Spanier und Italiener sich gut und gerne bis 3 Uhr nachts hinzogen – ab 4 Uhr morgens begann der Hahn zu krähen 😉 Der Junge schlief im Übrigen im Zimmer neben der Toilette… Es war einfach nur schräg! Selbst backpackende Chinesen trafen wir hier – Hallo?! – das hätte ich nun wirklich nicht für möglich gehalten! 😉
Die Tage waren brutal heiß, die Luftfeuchte versetzte einen ins Dauerschwitzen, die Nächte waren kaum anders, wir klebten am Bettlagen fest. Trotzdem mochten wir den Ort, verlängerten unseren Aufenthalt weit über die Autoreparatur hinaus und ich denke gewissermaßen wurden auch wir zu einem Teil der Kuriosität für letztendlich 10 lange Tage, die wir dort unser eigenes Süppchen kochten und mysteriös unnahbar hinter unseren Rechnern zu verschwinden schienen.
Doch wir packten den Absprung – nicht wie scheinbar einige andere dort – bei denen wir uns noch immer fragen, ob sie vielleicht denken, wir würden irgendwann zurückkommen…
Next // Not sure!